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Urkunde der Vereinigung beider protestantischer Konfessionen im Rheinkreise

Auf den Antrag Unsers protestantischen General-Konsistoriums erteilen Wir der von euch mittelst Bericht vom 21. August d. J. eingesandten Vereinigungs-Urkunde der beiden protestantischen Konfessionen im Rheinkreise die erbetene Landesherrliche Bestätigung in der Art, daß dieselbe nach den von uns genehmigten Erinnerungen Unsers General-Konsistoriums abzufassen und zur allgemeinen Kenntnis zu bringen ist. Wir erklären daher, auf diese Grundlage, die Vereinigung der protestantischen Konfessionen im Rheinkreise für vollzogen und tragen euch auf, für die Ausführung der gefaßten Beschlüsse die geeigneten Vorkehrungen zu treffen.
München, den 10. Oktober 1818.
Max Joseph von Gottes Gnaden König von Bayern.
Graf v. Thürheim.
Auf Königlichen Allerhöchsten Befehl, Der General-Sekretär,
Statt dessen,
v. Grimmeisen.
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VEREINIGUNGSURKUNDE
– AUSZUG –

Die in Gemäßheit des Allerhöchsten Reskriptes vom 11. Juni 1818 zu Kaiserslautern unter dem Vorsitze eines königlichen Kommissarius versammelte protestantische General-Synode;
erwägend, dass Seine königl. Majestät den mit großer Stimmenmehrheit ausgedrückten Wunsch der Protestanten des Rheinkreises beider Konfessionen, sich künftig in eine einzige evangelisch christliche Kirche zu vereinigen, huldreichst aufgenommen haben;
erwägend, daß allerhöchst dieselben ausdrücklich zu bestimmen geruhten, dass, wenn eine Vereinigung zu Stande gebracht werden soll, solche nicht bloß dem Namen nach, sondern auch in der Tat bestehen müsse;
erwägend, daß der zur Ausführung dieses wichtigen Zweckes Allergnädigst bewilligten General-Synode als Richtschnur vorgeschrieben worden ist, zur Vermeidung aller künftigen Irrungen die Art dieser Vereinigung durch gegenseitige Übereinkunft festzusetzen und deshalb in ihren gemeinschaftlichen Beschlüssen auf die kirchliche Lehre, den Ritus, die Liturgie, den Schulunterricht, das Kirchenvermögen und die Kirchenverfassung Rücksicht zu nehmen;
erwägend ferner, dass der glückliche Augenblick der Wiedervereinigung beider bisher getrennten protestantischen Konfessionen zugleich die fröhliche Rückkehr eines neuen religiösen Lebens bezeichnet, welches alle Verhältnisse der protestantischen Gesamtgemeinde gleich kräftig umfassend und durchdringend den erhabenen Zweck ihres kirchlichen Vereins unter Gottes allmächtigem Segen und dem Schutze des besten Königs zur gewünschten und dauerhaften Ausführung bringen wird;
erwägend endlich, daß es zum innersten und heiligsten Wesen des Protestantismus gehört, immerfort auf der Bahn wohlgeprüfter Wahrheit und echt religiöser Aufklärung, mit ungestörter Glaubensfreiheit, mutig voranzuschreiten;
hat in ihren Sitzungen, unter Vorbehalt der Allerhöchsten Genehmigung Seiner königlichen Majestät, sich ernstlich und umständlich über die verschiedenen Punkte der kirchlichen Lehre, des Ritus, der Liturgie, des religiösen Schulunterrichts, des Kirchenvermögens und der Kirchenverfassung beraten und sodann die also erhaltenen Resultate in einen allgemeinen Beschluss zusammengefaßt.
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A. Allgemeine Bestimmungen

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§ 1

Inskünftig wollen die Protestanten des Rheinkreises fest und brüderlich vereiniget sein und bleiben als protestantisch-evangelisch-christliche Kirche.
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§ 2

Sie erklären feierlich, daß der wirklichen Vereinigung beider Konfessionen in Lehre, Ritus, Kirchenvermögen und Kirchenverfassung durchaus nichts Wesentliches im Wege stehe.
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§ 3

( 1 ) Die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche hält die allgemeinen Symbola und die bei den getrennten protestantischen Konfessionen gebräuchlichen symbolischen Bücher in gebührender Achtung, erkennt jedoch keinen andern Glaubensgrund noch Lehrnorm als allein die heilige Schrift.
( 2 ) In das Symbolum apostolicum soll, um die früherhin bestandenen Verschiedenheiten gänzlich zu beseitigen, das Wort allgemein aufgenommen und anstatt abgestiegen der Ausdruck niedergefahren gebraucht werden.
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B. Kirchliche Lehre

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§ 4

Die bisherigen, streitigen Lehrpunkte sind nach wohlerwogenen Gründen durch eine den klaren Aussprüchen des Evangeliums gemäße Ansicht beseitigt worden.
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§ 5

( 1 ) Diesemnach erklärt die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche das heilige Abendmahl für ein Fest des Gedächtnisses an Jesum und der seligsten Vereinigung mit dem für die Menschen in den Tod gegebenen, vom Tode auferweckten, zu seinem und ihrem Vater (aufgenommenen) Erlöser derselben, der bei ihnen ist alle Tage bis an der Welt Ende. – Die Protestanten des Rheinkreises erklären sich dabei öffentlich für seine Bekenner.
( 2 ) Die Früchte einer frommen und dankvollen Feier dieses Gedächtnisses sind in dem gläubigen Gemüte des Christen, – Schmerz über das Böse, Entschluß zu allem Guten (Überzeugung von der durch Christum erlangten Vergebung der Sünde), Liebe zu den Brüdern, und Hoffnung auf ein ewiges Leben.
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§ 6

Da die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche mit dem Worte Beichte keinen andern Begriff verbindet, als die im 1 Korinth. 11 Vers 28 für notwendig erkannte Selbstprüfung vor dem Genusse des heiligen Abendmahls und die alsdann den gebesserten oder sich bessern wollenden Christen durch den Diener der Kirche aus dem Worte Gottes zugesicherte Vergebung der Sünden, so nimmt dieselbe dafür den Ausdruck Vorbereitung an.
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§ 7

Hinsichtlich der früheren kirchlichen Lehren von Prädestination und Gnadenwahl gründet die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche auf die Worte des neuen Testaments 1. Job. 4 Vers 16, 1. Timoth. 2 Vers 4. 5. 6. und 2. Petri 3 Vers 9 ihre Überzeugung, daß Gott alle Menschen zur Seligkeit bestimmt hat und ihnen die Mittel nicht vorenthält, derselben teilhaftig zu werden.
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§ 8

Die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche (nimmt keine Nottaufe an), beschränkt aber keineswegs die Freiheit christlicher Eltern, die Taufe ihrer neugeborenen Kinder so viel nötig zu beschleunigen, jedes Mal aber solche durch [den] ordentlichen Diener der Kirche verrichten zu lassen.